Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel April 2023: #FreeBelarus - Solidarität mit der Opposition

Die Lage in Belarus hat sich in den letzten Monaten und Wochen weiter zugespitzt. Seit 1994 wird Belarus von Diktator Alexander Lukaschenko autoritär regiert, die belarusische Zivilgesellschaft und die politische Opposition werden massiv unterdrückt. Auf die gefälschten Präsidentschaftswahlen am 9. August 2020 reagierten die belarusischen BürgerInnen mit landesweiten Protesten. Die Regierung antwortete mit einer rigorosen und systematischen Fortsetzung von Repression, Gewalt, Verfolgung, Gesetzesverschärfungen und drakonischen Haftstrafen gegen tatsächliche und vermeintliche politische GegnerInnen. Es wird von systematischen Verhaftungswellen, Zwangsarbeit, Willkürjustiz und Folter berichtet. Im Fadenkreuz staatlicher Verfolgung: MenschenrechtsaktivistInnen, JournalistInnen, Medienschaffende, KünstlerInnen, Oppositionelle, KriegsgegnerInnen, LGBTQI-VertreterInenn und alle, die in den Augen des Regimes unerwünscht gegen die Staatsdoktrin opponieren. Zudem wurde vor kurzem die Todesstrafe für Staatsbedienstete wieder eingeführt, wenn sie sich gegen das Lukaschenko-Regime stellen. Unter den 2022 Inhaftierten befinden sich 108 Persönlichkeiten aus dem Kulturbereich, 32 MedienvertreteInnen, sechs RechtsanwältInnen und sechs MenschenrechtsverteidigerInnen von „Viasna“. Zu letzteren gehörte auch der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2022, Ales Bialiatski, dessen Gerichtsprozess 2023 begann.

Wenige Wochen vor seiner Verhaftung warnte Bjaljazki vor einem „Nordkorea an der EU-Außengrenze“ und sprach von einer „noch nie da gewesenen Vernichtung der Zivilgesellschaft“. Angesichts der mehr als prekären Menschenrechts- und Demokratiesituation in Belarus macht sich ein Gefühl der Ohnmacht breit. Um dieser Ohnmacht entgegenzuwirken, wollen wir uns als Abgeordnete des Deutschen Bundestages dafür einsetzen, die verbliebene demokratische Opposition im Land und im Exil durch Patenschaften, Kooperationen und Gesetzesvorhaben auf Bundes- und europäischer Ebene zu unterstützen. Einige von uns haben bereits politische Patenschaften für inhaftierte DemonstrantInnen übernommen. Iryna Melkher und ihr Sohn Anton Melkher sind zwei solcher BürgerInnen, die wegen ihrer Teilnahme an den Protesten inhaftiert wurden. Anton Melkher wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, seine Mutter Iryna zu 17 Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet 8.800 US-Dollar. Die Anklage gegen Iryna und ihren Sohn Anton: terroristische Aktivitäten. Ich habe die politische Patenschaft für die beiden übernommen und mache immer wieder auf ihr Schicksal aufmerksam. Aber auch für mich als politische Patin ist es schwierig, Informationen über ihren Gesundheitszustand zu bekommen. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir ParlamentarierInnen weitere Brücken zu Oppositionellen und VertreterInnen der Zivilgesellschaft bauen, um uns für eine starke Zukunft der Demokratiebewegung einzusetzen.

Im Deutschen Bundestag haben wir Palarmentariergruppen für einen kontinuierlichen, persönlichen Dialog mit ParlamentarierInnen der jeweiligen Partnerländer oder -regionen. Die Parlamentariergruppen des Deutschen Bundestages als interfraktionelle Zusammenschlüsse von Abgeordneten pflegen enge Kontakte zu Parlamenten in aller Welt. In erster Linie geht es dabei um den Informations- und Meinungsaustausch mit ParlamentarierInnen weltweit. Daneben bestehen aber auch Kontakte zu Regierungs- und Oppositionsmitgliedern sowie zu RepräsentantInnen der Zivilgesellschaft. 

Vor dem Hintergrund der massiven Unterdrückungen der belarusischen Zivilgesellschaft und der politischen Opposition durch das Lukaschenko Regime, sowie vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der belarusischen Unterstützung für diesen Völkerrechtsbruch hatte der Ältestenrat, als sich die Parlamentariergruppen des Bundestages im April 2022 neu konstituierten, beschlossen, auf die erneute Einsetzung einer deutsch-belarusischen Parlamentariergruppe im Bundestag zu verzichten. Einen persönlichen und kontinuierlichen Dialog mit den belarusischen ParlamentarierInnen aufrecht zu erhalten, wäre unter den entsprechenden Umständen auch nicht angebracht gewesen. Dennoch ist es wichtig, weiterhin mit der belarusischen Politik im Austausch zu bleiben und Verbindungen zu der politischen Opposition und VertreterInnen der Zivilgesellschaft aufzubauen. Speziell für dieses Ziel habe ich gemeinsam mit meinen Kollegen Johannes Schraps (SPD), Robin Wagener (Grüne) und Knut Abraham (CDU/CSU) einen Vorschlag für eine Freundschaftsgruppe Demokratisches Belarus gemacht, woraufhin diese am 30.03.2023 im Deutschen Bundestag gegründet wurde.

Die neue Freundschaftsgruppe soll mit Mitgliedern der politischen Opposition Informationen zur aktuellen Situation in Belarus austauschen und die demokratischen Entwicklungen in der belarusischen Gesellschaft unterstützen. Auch das Auswärtige Amt wird bei den Sitzungen vertreten sein und über die Lage in Belarus berichten. Ich freue mich darüber, Mitglied der Freundschaftsgruppe Demokratisches Belarus zu sein und mit der belarusischen Opposition in den weiteren Austausch zu kommen, um uns gemeinsam für ein demokratisches Belarus einzusetzen.

Nur ein freies und demokratisches Belarus kann sich gegen den Druck und die Einverleibung des Landes durch Russland zur Wehr setzen. Dabei wollen wir es unterstützen! Free Belarus!