Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel April 2024: Mit der Kreativwirtschaft zur Wirtschaftswende!

600 Bücher
Anikó Glogowski-Merten vor dem Kunstwerk „600 Bücher für 600 ParlamentarierInnen“ von Peter Wüthrich. (Foto: Michelle Kortz) 

Die Idee einer Wende steht für eine friedliche Revolution und wird in Deutschland immer wieder neu aufgegriffen. Nach unserer historischen Wende folgten Begriffe wie Energiewende und Wirtschaftswende. Bis jetzt wurde aber noch nie ernsthaft über eine Wende unserer Kreativwirtschaft gesprochen. Kultur ist nämlich eine wichtige Branche, die sich nicht von der Wirtschaft trennen lässt! Diese enge Verflechtung von Kultur und Wirtschaft wird besonders deutlich, wenn wir die Ziele der Wirtschaftswende betrachten.

Die wirtschaftliche Wende ist darauf ausgerichtet, das Wachstums- und Entwicklungspotenzial der deutschen Wirtschaft sowohl national als auch international zu stärken. Eine starke Wirtschaft ist die Grundlage für Staatsausgaben  und einen effizienten Sozialstaat. Alles, was verteilt wird, muss zuerst erwirtschaftet werden. Vor diesem Hintergrund ist es umso wichtiger, alle Wirtschaftsbereiche in die Überlegungen einzubeziehen, insbesondere auch die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Nach den Krisen der vergangenen Jahre steht fest, dass andere Industrieländer sich erfolgreicher von den wirtschaftlich schweren Jahren erholt haben. Es ist an der Zeit, Deutschland wieder auf den richtigen Weg zu führen. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft muss gesteigert werden – dafür brauchen wir eine Wirtschaftswende. Beim Vorantreiben dieser Wirtschaftswende ist es wichtig, die Kultur- und Kreativwirtschaft nicht zu übersehen, denn sie ist unsere drittgrößte Wirtschaftsbranche!

Ein ganzheitlicher Ansatz, der die Kultur- und Kreativwirtschaft einschließt, ist für die nachhaltige Entwicklung unseres Landes unerlässlich. Unter dem Begriff „Kultur- und Kreativwirtschaft“ können wir alle wirtschaftlichen Aktivitäten zusammenfassen, die mit der Produktion, der Verbreitung und dem Verkauf von kulturellen und künstlerischen Produkten verbunden sind. Der Begriff umfasst ein breites Spektrum von Sparten wie auch die Presse, Medien, Architektur, Musik, Literatur sowie Kultureinrichtungen wie Museen und Bibliotheken. Die Bedeutung dieser Branchen reicht aber weit über die rein ökonomische Dimension hinaus.

Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht bedeutend, weil dadurch Arbeitsplätze geschaffen werden und sie zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, sondern auch aus gesellschaftlicher Perspektive, da sie zur sozialen Integration, Bildung und kulturellen Vielfalt einen Beitrag leistet. Kultur ist – wie gesagt – Wirtschaft, aber auch Erlebnis; sie wirkt sich auf eine höhere Lebensqualität aus, hilft zur Gemeinschaftsförderung und eröffnet weitere Möglichkeiten für kreatives Schaffen. Dies stärkt den Standort Deutschland und fördert die Gemeinschaft sowie die Ausdrucksmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger.

Wenn es um eine wirtschaftliche Wende geht, wird die Kultur- und Kreativwirtschaft häufig zu Unrecht übersehen. Deshalb möchte ich auf die wirtschaftlichen Chancen hinweisen, die dieser Bereich bietet. Unsere Aufgabe ist es, ihr die Möglichkeit zu geben, ihr volles Potenzial zu entfalten. Um das möglich zu machen, müssen wir der Branche in manchen Bereichen noch eine kleine Starthilfe geben, denn die Folgen der Corona-Pandemie und der darauf folgenden Energiekrise sind immer noch spürbar. Im Corona-Jahr 2020 verlor die Kultur- und Kreativwirtschaft europaweit rund 31 Prozent ihrer Umsätze und war damit die am stärksten betroffene Branche in Europa - noch vor dem Chemie- und Automobilindustrie. Diese Verluste haben wir mittlerweile wieder ein Stück weit auffangen können,  aber für eine wirkliche wirtschaftliche Wende der Kultur- und Kreativwirtschaft müssen wir weiter an den wichtigsten Stellschrauben drehen.

Indem wir Kultur für mehr Menschen zugänglich machen, wollen wir sowohl den Kunst- und Kulturschaffenden größere Entfaltungsmöglichkeiten als auch den Kunstrezipienten einen breiteren Begegnungsraum eröffnen, der unabhängig von körperlicher oder geistiger Behinderung, Sprache, kultureller, nationaler oder ethnischer Herkunft ist. Wenn mehr Menschen Kultur konsumieren, stärkt dies nicht nur unsere Gemeinschaft und unser kreatives Bewusstsein, sondern auch unsere Wirtschaft.

Damit kulturelle Projekte gestartet werden können, braucht es oftmals eine finanzielle Förderung. Diese hilft den Kulturschaffenden, Projekte zu initieren und zu betreiben, bis diese ihre eigene Strahlkraft entwickeln und sich selbst finanziell tragen können. Um dies zu ermöglichen, kann neben privater Förderung auch staatliche Förderung wichtige Impulse setzen. Die Kultur kann unser Land auf neue Wege bringen, zu unserer Wirtschaft als wichtige Säule dieser stark beitragen, Innovation vorantreiben und beleben. Dazu müssen wir bereit sein, Risiken einzugehen und ausreichend Raum für Experimente und Freiheit bieten, um Neues zu entdecken.

An dritter Stelle müssen wir uns für die Entbürokratisierung und Digitalisierung auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft einsetzen, um neue Perspektiven zu eröffnen und Verwaltungsprozesse effizienter zu gestalten. Je weniger Zeit es braucht Anträge zu stellen, desto mehr Zeit und damit auch Geld bleibt beim Staat und der Branche. Dafür haben wir als Fraktion der Freien Demokraten auch Ziele definiert: die Entwicklung dieser Branche genau zu verfolgen, den bereits begonnenen Dialog über die Strukturen, Herausforderungen, Entwicklungen und Bedürfnisse der einzelnen Teilmärkte fortzusetzen, nach wirtschaftlicher Vernetzung innerhalb der Branche zu streben, Qualifizierungsmöglichkeiten zu fördern, die Außenwirtschaftsförderung zu stärken sowie die Künstlersozialversicherung zu bewahren und weiter zu festigen.

Durch diese drei Kernpunkte fördern wir nicht nur die Kreativwirtschaft und unser soziales Miteinander, sondern auch die Wirtschaft insgesamt, denn wenn unsere Kultur zugänglicher und zukunftsfitter wird und über ein Startkapital verfügt, wird sie auch wirtschaftlicher und effizienter. Die Wirtschaftsstärke Deutschlands kann wiederhergestellt werden – wird aber nicht ohne Stärkung und Förderung dieser Branche passieren. Ich möchte dafür kämpfen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft endlich als eigenständiges und wettbewerbsfähiges Wirtschaftsfeld wahrgenommen und geschätzt wird. Denn Kultur kann viel mehr, als wir ihr zutrauen!