Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel Dezember 2022: Ein Jahr Bundestag - what a ride!

Vier Jahre dauert eine Legislaturperiode im Deutschen Bundestag. Das hört sich lang an. Fast ein halbes Jahrzehnt, denkt man sich zu Beginn, wenn sich die Ereignisse überschlagen und man sich plötzlich zwischen Bundestagsausschüssen, parlamentarischen Initiativen und Wahlkreisarbeit zurecht finden muss. Es gilt, zwischen Berlin und dem Heimatwahlkreis Balance zu finden, sich in viele neue Themen und Kontexte einzufinden und offen für Begegnungen zu sein. Und wie das immer so ist, wenn man viel zu tun hat und Freude und Leidenschaft für die Sache an sich, dann vergeht die Zeit wie im Flug!

Etwas mehr als ein Jahr ist vergangen seit ich mein Mandat antreten durfte! Es ist Zeit Bilanz zu ziehen. Ich habe unzählige Gespräche geführt - in Berlin und vor allem in meiner Heimat in Braunschweig und Umgebung. Es ist immer irgendwie ein mentaler Spagat permanent zwischen Berlin und Braunschweig umzuschalten und zwischen Hauptstadtpolitik und dem Leben vor Ort zu vermitteln. Unsere Zukunft ist leider nicht unbedingt vorhersehbarer geworden. Doch die Zusammenhänge und deren Vermittlung sind wichtig. Was im Bund passiert und entschieden wird, hat oft mittelbare und unmittelbare Konsequenzen für das Leben in der gesamten Republik. Dies gilt sowohl in den großen Fragen mit weitereichenden außenpolitischen Konsequenzen, als auch für die innenpolitischen Debatten und Entscheidungen, die die individuelle Lebensplanung betreffen. So haben wir beispielsweise mit der Abschaffung des §219a sowie den neuen Entlastungspaketen das Leben vieler Bürgerinnen und Bürger spürbar selbstbestimmter und krisensicherer gemacht. Es gilt darüber hinaus einige energie- und sicherheitspolitischen Versäumnisse der alten Bundesregierung zu korrigieren: Wir müssen jetzt in unsere energetische Infrastruktur investieren und unter anderem durch den Bau von LNG-Terminals unabhängiger von russischem Gas werden. Wir müssen jetzt die Weichen dafür stellen, wie wir zukünftig Bauprojekte beschleunigen und entbürokratisieren, die Teil unserer kritischen Infrastruktur sind. Auch deshalb dient der Bau der LGN-Terminals als eine Blaupause für die Umsetzung der Verfahrensbeschleunigung. Wir müssen jetzt in die europäische Sicherheitsarchitektur investieren, an der auch die deutsche Bundeswehr und das für ihre Modernisierung bereitgestellte Sondervermögen zukünftig ihren Anteil haben wird! Und wir müssen jetzt eine Nationale Sicherheitsstrategie schaffen, die uns und unsere kritische Infrastruktur adäquat vor Zugriffen schützt und die ganz allgemein einen Fokus darauf setzt, die wirtschaftlichen und infrastrukturtechnischen Abhängigkeiten zu manchen Staaten zu reduzieren. 

Es ist wenig überraschend, dass die Politik im Bund derzeit durch zwei wesentliche Themen determiniert wird: Die Corona-Pandemie, die uns auch nach nahezu drei Jahren nie vollständig los lässt, die immer wieder neue Maßnahmen und Verhandlungen zwischen Bund und Ländern erfordert und die insbesondere von der Kultur- und Medienbranche vieles gefordert hat. Und der 24. Februar 2022, der sich wohl in das kollektive Gedächtnis Europas eingebrannt hat wie kein anderes Datum in den vergangen Jahren. Insbesondere letzteres hat nicht nur große Auswirkungen auf meine Arbeit als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, es stellt uns als europäische Gemeinschaft und als Bundesrepublik vor immense Herausforderungen. Sicherheitspolitisch, energiepolitisch, wirtschaftlich. Die Welt und Europa, so scheint es, sind im Angesicht des russischen Angriffs auf die Ukraine näher zusammengerückt und zugleich sind die aufgerissenen Gräben unüberwindbarer denn je. Die außen- und energiepolitischen Debatten und Entscheidungen der kommenden Jahre werden enorm viel diplomatisches Fingerspitzengefühl verlangen. Ganz gleich, ob wir uns mit den andauernden Brandherden und schwelenden Territorialkonflikten im Schatten des Krieges gegen die Ukraine, wie zum Beispiel den jüngst wieder ausgebrochenen Kampfhandlungen zwischen Armenien und Aserbaidschan, beschäftigen, oder mit der Frage, ob es weise ist, sich zukünftig energiepolitisch abhängiger von den Staaten der arabischen Halbinsel zu machen. Es ist eine politische Binsenweisheit, die auch dann wahr ist, wenn gerade nicht eine Krise die andere jagt: Es gibt keine einfachen Antworten, aber es gibt Perspektiven und Optionen, die es abzuwägen gilt. Ich werde mein Möglichstes tun, dazu meinen Beitrag zu leisten.

Inmitten der weltpolitischen Krisen und sich überschlagenden Ereignisse ist es mir aber gerade wichtig, die Menschen und die Unternehmen in meinem Heimatwahlkreis Braunschweig im Auge zu haben. Im vergangenen Jahr habe ich mit zahlreichen Menschen vor Ort aus allen möglichen Kontexten und Branchen gesprochen. Ich habe sehr viel dazu gelernt! Braunschweig ist nicht einfach nur meine Wahlheimat, sondern eine großartige Stadt und Region mit tollen Menschen und enormen Potentialen in vielerlei Hinsicht. Ich bin dankbar für die Möglichkeit, so viel Einblick nehmen zu können und wenn irgendwie möglich, zur Verbesserung und zur positiven Veränderungen der Situation vor Ort beitragen zu können. Am eindrücklichsten im Gedächtnis bleiben dabei stets der Austausch und die Gespräche mit den Menschen, die man auf seinen politischen Wegen und Umwegen alltäglich trifft. Jede Begegnung, jedes Gespräch ist ein Puzzlestück, das zum Gesamteindruck beiträgt und zum weiteren Handeln anregt. Ich mache mir keine Illusionen über die großen Herausforderungen der kommenden drei Jahre, die vor uns allen liegen. Es müssen viele dicke Bretter gebohrt werden, wie es im Jargon des Parlamentes immer so schön heißt. Doch ich freue mich auch auf die zukünftigen Begegnungen mit den Menschen, die mir auf diesem Weg noch begegnen.