Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel Dezember 2024: Russland und sein Einfluss auf Wahlen - eine Gefahr für uns alle

Anikó bei der Demo für ein freies Georgien vor dem Brandenburger Tor am 05.12.2024. Hinter ihr stehen weitere Abgeordnete und Demonstrierende, die Georgienflaggen schwenken.
Anikó bei der Demo für ein freies Georgien vor dem Brandenburger Tor am 05.12.2024

Seit gut zwei Wochen protestieren in Georgien Bürgerinnen und Bürger für eine Annäherung des Landes an den Westen, für einen Beitritt zur EU und gegen die prorussische Partei „Georgischer Traum“. Regierungstreue Einsatzkräfte gehen hart gegen die Demonstrierenden vor: mit Tränengas, Schlagstöcken und Wasserwerfern. Mehr als 400 Menschen sind in Haft, darunter auch Journalisten und Oppositionelle.

Die Proteste reichen weit über die Landesgrenzen hinaus, in vielen großen Städten in aller Welt gehen Menschen auf die Straßen. Ich selbst war am 5. Dezember bei einer Demonstration vom Georgischen Zentrum am Brandenburger Tor in Berlin. Dort habe ich den Georgierinnen und Georgiern meine Unterstützung ausgesprochen und mit ihnen eine Wiederholung der Wahl gefordert. Die Demonstrierenden wenden sich nicht nur gegen ihre Regierung, sondern auch gegen Russland – ein Land, das bis heute 20% von Georgien mit militärischen Truppen besetzt hält und das Land gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit an sich zu reißen versucht. Russische Kräfte haben in den vergangenen Monaten massiv Wahlen und Wahlkämpfe beeinflusst. Während die Bevölkerung mit deutlicher Mehrheit einen Anschluss an die Europäische Union sucht, hat sich der „Georgische Traum“ zum Wahlsieger küren lassen. Das konnte nur möglich werden durch Manipulation.

Es gibt klare Beweise für Wahlmanipulation in Schrift und Bild, auch der Bericht der OSZE bestätigt unzulässige Beeinflussung. So wurde beispielweise direkt in die Wahl eingegriffen, indem Wahlkarten eingesammelt und mit einer Stimme für den „Georgischen Traum“ abgegeben wurden, obwohl die Inhaber der Wahlkarten nachweislich nicht an der Wahl teilgenommen haben.

Aber – und das muss uns auch hier in Deutschland interessieren – auch vor der Wahl an sich ist Einfluss genommen worden, vornehmlich von Russland. Das Gesetz „gegen ausländische Einflussnahme“ und das „Anti-LGBTQI-Gesetz“ sind russischen Vorbildern nachempfunden, Russland hat viel in Desinformations- und Angstkampagnen investiert. Das tut es nicht nur in Georgien, sondern beispielsweise auch in Moldau und Rumänien. Bei unserem europäischen Partner Rumänien muss die Präsidentschaftswahl wegen der massiven russischen Einflussnahme nun wiederholt werden.

Das Mittel: vor allem soziale Medien. Über X (vormals Twitter) oder Tiktok werden Narrative verbreitet, die der russischen Agenda in die Hände spielen. Der rumänische Wahlsieger Calin Georgescu, eigentlich ein eher unbekannter Rechtsextremer mit vernachlässigbaren Umfragewerten, hat vor allem über hunderttausendfach verbreitete Tiktok-Videos Aufmerksamkeit erregt. Rumänische Behörden verdächtigen Russland eines „massiven hybriden Angriffs“.

Auch bei uns steht eine wichtige Wahl bevor. Auch bei uns versucht Russland Einfluss zu nehmen. Gleich zwei Parteien stehen in den Startlöchern, die Putin das Wort reden, die Unterstützung Deutschlands für die Ukraine zurückfahren wollen und das Land aus der Mitte Europas näher an Russland rücken wollen. Ein Erstarken beider Parteien hätte arge Konsequenzen für die Demokratie in unserem Land. Doch eine Strategie gegen Desinformation lässt die Bundesregierung bisher schwer vermissen. Wir müssen wachsam sein, jeder für sich: Aus welcher Quelle kommt ein Posting? Ist diese Quelle vertrauenswürdig? Stimmen die Webadressen überein? Wem nützt die Verbreitung einer Information? Wir brauchen Medienkompetenz heute dringender als je zuvor.