Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel Februar 2024: Standhaft mit der Ukraine

Die Ukraine befindet sich seit den 1990er Jahren auf einem schwierigen Weg der Konsolidierung ihrer Unabhängigkeit und der Annäherung an den Westen. Diese Bestrebungen haben immer wieder zu Spannungen mit Russland geführt, die in den letzten Jahren in offene Aggression umgeschlagen sind. Die Angriffe auf Zivilisten, insbesondere in Städten wie Butscha und Irpin, haben die internationale Gemeinschaft aufgerüttelt und gezeigt, wie dringend die Ukraine unsere Unterstützung braucht. Die russischen Truppen gehen mit äußerster Brutalität und menschenverachtender Gewalt vor allem gegen Frauen, Kinder und alte Menschen der Zivilbevölkerung vor. Sexuelle Gewalt wird dabei besonders eingesetzt, um Seelen zu brechen und Gemeinschaften zu spalten.

Die Zahlen des ukrainischen Verteidigungsministeriums sind alarmierend: Fast alle Zerstörungen durch Luftangriffe trafen zivile Ziele, nur 3% der seit Februar 2022 durch Luftangriffe zerstörten Objekte waren tatsächlich militärischer Natur. Dies zeigt deutlich, dass wir das Leben und die Infrastruktur der Zivilbevölkerung schützen müssen.

Neben direkten Angriffen versucht Russland auch durch die sogenannte ‚Russifizierung‘ den ukrainischen Widerstand zu brechen. Bereits seit 2014 werden ukrainische Kinder von der Krim und aus dem Donbas nach Russland verschleppt. Seit 2022 wurden mehr als 19.500 ukrainische Kinder entführt und über Belarus nach Russland deportiert. In den besetzten Gebieten gibt es keine Möglichkeit, soziale Unterstützung, einen Schulplatz oder angemessene medizinische Versorgung zu erhalten, ohne den ukrainischen Pass gegen einen russischen einzutauschen. Die unter der Besatzung lebenden Ukrainerinnen und Ukrainer, die sich dieser „Passportisierung“ unterzogen haben, erhalten jedoch nicht die gleichen Rechte wie russische Staatsbürger. Der russische Staat schickt vielmehr Lehrer und Professoren in die besetzten Gebiete, um so schnell wie möglich neue Schul- und Geschichtsbücher zu verbreiten und die russische Sprache und Kultur wieder zu etablieren und die ukrainische dabei zu verdrängen. Das sind tiefe tiefe Eingriffe in die ukrainische Souveränität und Identität, die darauf abzielen darauf abzielen, die Bindung der Menschen an ihr Land und ihre Kultur zu schwächen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, die kulturelle und nationale Integrität der Ukraine zu verteidigen.

Die internationale Unterstützung hat sich als unerlässlich erwiesen, nicht nur um das Überleben der Ukraine zu sichern, sondern auch um eine weitere Destabilisierung der globalen Sicherheit zu verhindern. Die Bereitstellung von Luftabwehrsystemen ist für den Schutz der Städte und der Zivilbevölkerung von entscheidender Bedeutung. Ohne die Patriot-Systeme und die durch westliche Partner gestellten Luftabwehrsysteme wäre Kyiv heute höchstwahrscheinlich in großen Teilen zerstört. Sie retten jeden Tag tausende Menschenleben. Meine Kolleginnen und Kollegen, wie auch eine meiner Mitarbeiterinnen, haben dies in der Vergangenheit bei Besuchen hautnah miterleben müssen.

Im kürzlich geführten Interview mit dem ultrakonservativen Talkmaster und Verschwörungstheoretiker Tucker Carlson betonte Wladimir Putin erneut, dass Russland nicht der Aggressor sei, sondern seine Bevölkerung, das Land und seine Zukunft verteidige. Carlson stellte keine kritischen Fragen und bot dem russischen Präsidenten damit eine Plattform für Propaganda und Hetze. Putin machte deutlich, dass der Stopp der Waffenlieferungen der USA die Grundlage für ein Kriegsende sei. Die zynischen Worte des Angreifers sind eine indirekte Wahlkampfhilfe für Donald Trump und die Republikaner in den USA. Diese blockieren derzeit weitere Waffenhilfen für die Ukraine. Im US-Wahlkampf hat Donald Trump erklärt, dass er säumige Nato-Mitglieder nicht vor Russland schützen werde. Stattdessen würde er Putin sogar ermutigen. Zusammen mit seiner ‚America first‘-Lösung setzt er damit unsere gesamte Sicherheit, einschließlich der der Vereinigten Staaten, aufs Spiel und gefährdet US-amerikanische sowie europäische Soldaten. Es ist daher umso wichtiger, dass sich die EU und die NATO auf alle möglichen Szenarien vorbereiten und alles tun, um ihre Handlungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken.

Darüber hinaus haben die Initiativen zur Wiederaufnahme der Getreidelieferungen aus der Ukraine eine Schlüsselrolle bei der Abwendung einer möglichen globalen Nahrungsmittelkrise gespielt.Die wieder aufgenommenen Getreidelieferungen sind nicht zufällig oder aufgrund von Russlands Gnade möglich. Sie sind das Ergebnis eines Korridors entlang der ukrainischen Küste, der von Otschakiw über Jutschne und Odessa führt und nur mit Hilfe von Marschflugkörpern wie Storm-Shadow und SCALP-EG geschaffen werden konnte – so die Aussagen der Kolleginnen und Kollegen im ukrainischen Verteidigungsministerium und des deutschen Botschafters in Kyiv. Die Waffenlieferungen waren also keineswegs umsonst. Betrachtet man die Auswirkungen dieser Lieferungen global, so haben sie 2022 sogar dazu beigetragen, eine weltweite Hungerkrise zu verhindern, die Russland gerne durch die Blockade des ukrainischen Weizens in Kauf genommen hätte. Eine Hungersnot, die weltweit, jedoch besonders im Nahen Osten, sowie in großen Teilen des afrikanischen Kontinentes neue Flüchtlingsströme hätte auslösen können. Alle diese Entscheidungen haben multilaterale und langfristige Auswirkungen, die nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa und den Rest der Welt betreffen.

Der Krieg in der Ukraine berührt und betrifft uns alle; er testet die Stärke und den Willen der internationalen Gemeinschaft, für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte einzustehen. Mit der Fortsetzung unserer Unterstützung für die Ukraine setzen wir ein klares Zeichen gegen Aggression und für die Werte, die uns alle miteinander verbinden. Durch unser gemeinsames Engagement für die Ukraine schaffen wir eine stabilere und gerechtere Welt.Unsere gemeinsamen Anstrengungen können und werden einen Unterschied machen - für die Ukraine und für die Welt.