Freihaus-Artikel Mai 2023: Kulturelle Bildung für alle!
Kulturelle Bildung ist ein zentraler Anker unserer Gesellschaft. Durch sie lernen wir unsere eigene Identität und Geschichte sowie die unserer Mitmenschen besser kennen und verstehen. Kulturelle Bildung ist Gemeinschaft. Sie gehört nicht nur in die Schule. Denn Kultur ist nie statisch, sondern bietet uns die Chance, immer wieder neue Perspektiven zu gewinnen und den Austausch zwischen den Generationen zu fördern. Nur durch kulturelle Bildung erhalten wir einen Werkzeugkasten, um sie mitzugestalten.
Während es in urbanen Regionen zahlreiche Angebote kultureller Bildung gibt, sieht es in ländlichen Regionen leider oft anders aus. Ländliche und periphere Regionen werden bei diesem Thema oft vergessen. Dabei ist die lokale Verankerung von Kultureinrichtungen und kultureller Bildung eine notwendige Voraussetzung für Zugangs- und Teilhabechancen. Gerade in finanzschwachen Ländern sind Landkreise und Kommunen häufig kulturell depriviert. Das bedeutet, dass ein Großteil der kulturellen Bildung in ländlichen Regionen von den Schulen getragen werden muss, was die zeitlichen Kapazitäten der Lehrpläne oft nicht zulassen. Durch die Konzentration kultureller Bildungsangebote in städtischen Regionen ist es nur eingeschränkt möglich, ländlich-regionale Themen aufzugreifen bzw. darauf zu reagieren. Kulturelle Bildungsprojekte könnten hier den Gemeinden die Möglichkeit bieten, sich auf einer neuen Basis im Ort auszutauschen und gestaltend aktiv zu werden. Auch in meiner Heimat Niedersachsen ist der Zugang zu kultureller Bildung ein wichtiges Thema. Die geringe Bevölkerungsdichte, die eingeschränkte Infrastruktur und die geringe Anzahl von Kultureinrichtungen sind Faktoren, die das Angebot an kultureller Bildung in vielen unserer ländlichen Regionen einschränken.
Die grundlegende Herausforderung für Kultureinrichtungen und Akteure der kulturellen Bildung ist, dass man sich nur ab einer gewissen Größe in ländlichen Regionen verorten kann, denn im ländlichen Raum lassen sich feste Institutionen der kulturellen Bildung nur schwer etablieren. In kleinen, finanzschwachen Landkreisen und Kommunen besteht für Kultureinrichtungen meist nur die Möglichkeit, Landesmittel einzuwerben, was wiederum voraussetzt, dass die Angebote ausreichend genutzt werden. Dies ist bei geringer Einwohnerzahl natürlich kaum realisierbar. Bei vielen geförderten Projekten kommt erschwerend hinzu, dass die Förderungen oft zeitlich begrenzt sind, so dass den Projekten selten genügend Zeit bleibt, sich ein Stammpublikum aufzubauen. Es stellt sich daher die Frage nach besseren Möglichkeiten Angebote zu schaffen und zu verankern, die Infrastruktur zu verbessern (Stichwort: Mobilitätswende), damit kulturelle Angebote wahrgenommen werden können, auch wenn sie im Umland stattfinden.
Auch die fortschreitende Digitalisierung kann uns helfen, unsere kulturellen Bildungsangebote flächendeckend auszubauen. Mit Hilfe digitaler Technologien können virtuelle Ausstellungen, Online-Kurse und Streaming-Angebote genutzt werden, um Kunst auch in entlegene Regionen zu bringen - ein erster wichtiger Schritt, um unsere kulturellen Bildungsangebote zugänglicher zu machen. Ein weiterer wichtiger Schritt ist es aber, auch im analogen Raum für mehr Angebote zu sorgen. Denn der Austausch und das Kennenlernen von Menschen, gerade aus der eigenen Gemeinschaft, funktioniert von Angesicht zu Angesicht oft besser als über einen Computer, den vielleicht auch nicht jeder hat. Die Möglichkeit, Kunst und Kultur in Person, sinnlich voll wahrnehmen zu können, bietet zudem ein ganz anderes Erleben von Kunst und eine andere Vielfalt an künstlerischen Medien denen man begegnen kann.
Eine wichtige Rolle spielen auch lokale Kulturvereine, ehrenamtliche Initiativen und mobile Kultureinrichtungen, die kulturelle Bildung in die Orte bringen. Auch ich habe in meiner Kindheit meine Bücher aus einer mobilen Bibliothek geliehen, denn eine ständige Bibliothek in unserem Ort gab es nicht. Die Verantwortung für kulturelle Bildungsangebote sollte aber nicht allein auf den Schultern dieser Einzelpersonen und Organisationen liegen, sondern auch von staatlicher Seite gefördert werden. Mit Initiativen wie „TRAFO - Modelle für Kultur im Wandel“ oder neuerdings auch „Aller.Land“ unterstützt der Bund Regionen dabei, ihre Kulturorte und -angebote nachhaltig zu stärken und gezielt partizipative Kulturprojekte umzusetzen. Dabei können auch neue Allianzen zwischen Kultur und Demokratiearbeit, politischer Bildung und Regionalentwicklung entstehen. Denn Kreativität und Gestaltungswille sind genau die Eigenschaften, die wir auch brauchen, um in der Politik proaktiv mitzugestalten.
Besonders wichtig ist mir an dieser Stelle zu betonen, dass das Thema Kulturelle Bildung also nicht nur ein Thema von und für Kinder und Jugendliche ist, sondern auch Erwachsene betrifft. Natürlich ist kulturelle Bildung gerade für Kinder und Jugendliche wichtig, um ihre kreativen Fähigkeiten zu entdecken und zu entwickeln, ihre sozialen Kompetenzen zu erweitern und ihre kulturelle Identität zu stärken. Aber so wie sich unsere Kultur ständig weiterentwickelt, können wir auch ein Leben lang weiter lernen, entdecken und gestalten!