Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel Mai 2024: Länder inmitten eines Übergangsprozesses

Als stellvertretende Vorsitzende der Parlamentariergruppe Deutschland-Zentralasien & Mongolei ging es für mich mit einer Delegation diesmal nach Usbekistan und Tadschikistan. Seit dem Zerfall der Sowjetunion haben beide Länder ihre Unabhängigkeit erlangt und sind bestrebt, ihre Souveränität zu festigen und durch eine multilaterale Politik weiterzuentwickeln.

In dieser Hinsicht stehen die Länder vor vielen Herausforderungen: Sie befinden sich in einer komplexen geopolitischen Lage zwischen Russland und China sowie in unmittelbarer Nähe zu Afghanistan und dem Iran. Dies wirft bedeutende Fragen bezüglich einer gemeinsamen Grenzsicherung auf, die angesichts der geopolitischen Konstellation immer wichtiger wird. Tadschikistan, das an Afghanistan, Usbekistan, Kirgisistan und China grenzt, sieht sich insbesondere an der afghanischen Grenze aufgrund von Drogenhandel, Schmuggel und möglicher Infiltration durch extremistische Gruppen vor sicherheitspolitische Herausforderungen gestellt. Usbekistan, das an Tadschikistan, Kirgisistan, Kasachstan, Afghanistan und Turkmenistan grenzt, hat historisch bedingte Spannungen und Konflikte hinsichtlich der Grenzverläufe erlebt, besonders mit Tadschikistan und Kirgisistan. Bisher gibt es leider keine umfangreiche Zusammenarbeit zwischen den zentralasiatischen Staaten im Bereich der Grenzsicherung, dennoch werden Bündnisse zwischen den Ländern geschlossen, was die Beziehungen stabiler und unumkehrbar macht. Es herrscht zwischen den Ländern ein fester politischer Wille, die Beziehungen untereinander zu stärken und zu erweitern.

Weitere Herausforderungen ergeben sich aus der zunehmenden Verschärfung der Situation um die Wasserversorgung, die immer mehr zu einem Konfliktherd wird, während gleichzeitig die Herausforderungen in der Energieversorgung dringlicher werden. Diesbezüglich war der Besuch des Nurek-Staudamms in Tadschikistan - eine bedeutende hydroelektrische Anlage, die für ihre beeindruckenden technischen Spezifikationen und ihre wichtige Rolle in der regionalen Energieversorgung bekannt ist - sehr spannend. Der Staudamm spielt eine zentrale Rolle in der tadschikischen (Energie-)Wirtschaft, nicht nur durch die Energieproduktion, sondern auch durch seinen Beitrag zur Regulierung der Wasserressourcen, die für die Landwirtschaft in der Region von entscheidender Bedeutung sind. Ökologische Bedenken gibt es hinsichtlich der Auswirkungen auf die lokalen Ökosysteme und die potenzielle Gefahr von Erdrutschen und Erdbeben, die durch den großen Wasserdruck im Reservoir verursacht werden können. Der Nurek-Staudamm bleibt aber ein zentrales Element in der Infrastruktur Tadschikistans und ein Schlüsselfaktor für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Landes.

Zusätzlich sind der demografische Wandel und die damit verbundenen Herausforderungen beachtenswert. Mit einem Anteil von 60% Unter-30-Jährigen stellt Usbekistan ein in vielerlei Hinsicht junges Land dar, das bisher nicht in der Lage ist, seiner jungen Bevölkerung einen ausreichenden Arbeitsmarkt zu bieten. Eines unserer Ziele ist die Stärkung der bilateralen Beziehungen und der Kooperation mit den zentralasiatischen Staaten auch im wirtschaftlichen Bereich. Dadurch gewinnen Arbeitsmigrationsabkommen zunehmend an Bedeutung, die durch den Sonderbevollmächtigten der Bundesregierung, Joachim Stamp, ausgehandelt werden.

Während unserer Gespräche und in den Terminen erhielten wir auch einen starken Eindruck der Vielschichtigkeit beider Länder. Die usbekische Kultur, aber auch die tadschikische Kultur und Geschichte spiegeln sich in den Regionen, Städten, aber auch der Architektur wider. Usbekistan ist bekannt für seine prachtvollen Städte wie Samarkand, Buchara und Chiwa, die einst wichtige Zentren der Seidenstraße waren. Kujand in Tadschikistan gilt als eine der ältesten Städte Zentralasiens, deren Ursprünge auf das 7. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen. Sie war ein bedeutendes Zentrum auf der antiken Seidenstraße und hat im Laufe der Jahrhunderte viele Eroberungen erlebt. Duschanbe ist die Hauptstadt und die größte Stadt Tadschikistans und spielt eine zentrale Rolle nicht nur in der Kultur, sondern auch in der Politik und Wirtschaft. Die Stadt hat eine relativ kurze Geschichte, die erst im frühen 20. Jahrhundert begann, als sie von einem kleinen Dorf zu einer bedeutenden urbanen Siedlung heranwuchs.

Obwohl jedes Land seine eigenen einzigartigen kulturellen Eigenheiten hat, verbindet sie durch ihre gemeinsame historische und geografische Nähe Vieles. Ihre Kulturen sind Zeugen einer tiefen historischen Verflechtung und einer reichen Tradition. Durch unseren Besuch konnten wir die Kultur erleben und wichtige Einblicke in die Situation und Entwicklung der Länder sammeln. Durch die Erlebnisse und Erfahrungen, die wir auf unserer Reise als Mitglieder der Parlamentariergruppe gemacht haben, wollen wir uns dafür einsetzen, dass die deutsch-usbekischen, aber auch die deutsch-tadschikischen Beziehungen noch stärker wachsen. Dies beinhaltet auch die Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern.