Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel November 2023: Erinnern für eine gemeinsame Zukunft

Am vergangenen Donnertag jährte sich mit der Reichspogromnacht eine Serie gewaltsamer Ausschreitungen gegen die jüdische Bevölkerung in Deutschland, derer ob ihres Umfangs und ihrer orchestrierten Durchführung bis heute mit grausamer Prominenz erinnert wird.

„Nie wieder!“

So lautet seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges richtigerweise das vielbeschworene Credo der deutschen Erinnerungskultur zum Holocaust und den damit in Verbindung stehenden systematisch organisierten Gräuel des NS-Regimes gegen Minderheiten und Andersdenkende.

„Nie wieder!“

Es ist ein Motto, das verpflichtet. Es ist ein Leitsatz, der gerade dann, wenn er am stärksten auf die Probe gestellt wird, am dringendsten zur konkreten Umsetzung drängt. Dass im Zuge des brutalen Angriffes der Hamas auf Israel auch in Deutschland wieder vermehrt offener Hass gegen Jüdinnen und Juden, etwa in Form antisemitischer Symbole, zur Schau gestellt wird, ist eine Tatsache, der wir uns entschieden entgegenstellen müssen. Antisemitismus hat in unserer Gesellschaft keinen Platz, egal, von welcher Position aus er motiviert ist.

Das beste Mittel gegen Antisemitismus in unserer Gesellschaft ist Prävention. Deshalb setzen wir uns gemäß dem Koalitionsvertrag vielfältig und explizit für eine lebendige Erinnerungskultur rund um den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust ein. Denn wer „Nie wieder!“ ernst meint, muss wissen, was sich nicht wiederholen darf.

Unser Anspruch an uns selbst als FDP lautet: Weltbeste Bildung für jeden. Ein integraler Bestandteil dieser Bildung muss die die deutsche Geschichte im Sinne einer reflektierten und widerstandsfähigen Erinnerungskultur sein. Sie sollte dazu beitragen, dass Werte wie Demokratie, Freiheit und zentral auch die entschiedene Ablehnung jeder Form von Antisemitismus von allen in Deutschland lebenden Menschen geteilt und gelebt werden. Als Vorsitzende der Arbeitsgruppe Kultur und Medien der FDP-Fraktion ist es mir ein besonderes Anliegen, diese Inhalte als Ausdruck kultureller Bildung zu einem Gemeingut zu machen, sodass dessen Weitergabe und Vermittlung eine intrinsische Motivation unserer Gesellschaft werden kann.

Kulturelle Bildung bedarf gut konzipierter Orte des Lernens und bedarf bewegender Orte des Erinnerns und der Anschauung. Wir brauchen sichere Orte der Begegnung, die für alle offen sind und in denen Perspektiven geteilt und ausgetauscht werden können. Orte, an denen wir spüren und erleben können, was wir selbst noch nicht erlebt haben. Orte, die Raum schaffen für ein neues Miteinander. Entsprechend verurteilen wir den Angriff von Sympathisanten mit den islamistischen Terrorangriffen der Hamas gegen Israel und anderer Gruppen auf jüdisches Leben in Deutschland auch und besonders in Form von antisemitischer Symbolik und Gewalt gegen jüdische Kultureinrichtungen und solche, die sich für den Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland einsetzen. Deshalb steht für uns der Schutz von Kultureinrichtungen, die zur Vermittlung und damit zur Verteidigung unserer Werte und moralischen Leitlinien beitragen, außer Frage.

Mit dem Dokumentationszentrum „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ haben wir außerdem die Errichtung eines solchen Ortes erreicht, an dem Forschung, Vermittlung und Gedenken in einen reflektierten Austausch gebracht werden, und im Zusammenspiel dem gewaltpräventiven Ziel eines toleranten Miteinanders in Deutschland gerecht werden sollen.

Jede und jeder hat in Deutschland das Recht, seine Meinung zu äußern. Auch das öffentliche Einstehen für die eigene Meinung in Form des Demonstrierens ist eine gute demokratische Praxis – so lange dabei weder Einzelne noch Gruppen, weder Leben noch Eigentum gefährdet, beschädigt oder in ihren unveräußerlichen Grundrechten beschnitten werden.

Die Existenz des Staates Israel ist deutsche Staatsräson aus unserer historischen Verantwortung. Dass sie in Frage gestellt, bedroht und symbolisch wie physisch angegriffen wird, dagegen wehren wir uns, auch politisch, mit aller Macht.

Denn „Nie wieder!“ ist immer. Auch und gerade jetzt.