Anikó Glogowski-Merten

Freihaus-Artikel Oktober 2023: Die Welt braucht Stabilität

Anikó Glogowski-Merten im Plenum des Bundestages

Der diesjährige Oktober hat uns erneut vor Augen geführt, wie kostbar Frieden und Sicherheit sind und dass wir nie aufhören dürfen, uns dafür einzusetzen. Um unsere Werte auch international zu verteidigen, müssen wir klar Stellung beziehen: Gegen Gewalt, für Frieden und für Menschenrechte.

So sind es weiterhin besorgniserregende Nachrichten, die wir aus Bergkarabach erhalten. Einer Region, die hauptsächlich von ethnischen Armeniern besiedelt war. Auch wenn nun Verhandlungen zwischen Vertretern Armeniens und Aserbaidschans über den Umgang mit den Menschen aus der Region aufgenommen wurden, gibt es immer wieder Berichte über Gewaltausbrüche. Die aserbaidschanischen Streitkräfte halten sich offenbar nicht an den Waffenstillstand.

Aus einem Gespräch mit dem armenischen Botschafter, S.E. Herrn Yengibaryan, weiß ich, dass die Sorge um die ethnischen Armenier:innen in Bergkarabach weiterhin groß ist, denn die Situation ist nach der 9-monatigen Blockade von Lebensmittellieferungen und Medikamenten extrem angespannt.

Nur ein Bruchteil der Menschen vor Ort konnte bisher fliehen. Insbesondere die Narrative von „Provokationen“ und „Wiedereingliederung“ der Armenier:innen, die sich Aserbaidschan scheinbar beim „großen Bruder“ Russland abgeschaut hat, machen auch mir Sorgen. In den letzten Monaten wurden in verschiedenen aserbaidschanischen Medien Karten veröffentlicht, die Teile des armenischen Staatsgebietes als aserbaidschanisch ausweisen und damit die Grenze Aserbaidschans bis in die Türkei vorverlegen.

Aber nicht nur die Nachrichten über die Ereignisse in Armenien beschäftigen uns. Am 7. Oktober 2023, dem jüdischen Feiertag Simchat Tora, erlebte Israel einen verheerenden Terroranschlag. Aus dem Gazastreifen wurden massiv Raketen abgefeuert, während gleichzeitig die Hamas an verschiedenen Stellen in israelisches Gebiet eindrang. Dieser koordinierte Angriff war ein barbarischer Angriff auf die israelische Zivilbevölkerung und Terror der massivsten und brutalsten Art. Ein hybrider Terror und ein Terror der Narrative. Wir erleben durch die Anschläge der Hamas eine neue Dimension dessen, was wir bisher kannten. Dies stellt uns nicht nur außenpolitisch vor große Herausforderungen, sondern insbesondere innenpolitisch. Der ansteigende und offen gezeigte Antisemitismus ist etwas, was wir nicht zulassen dürfen. Hier sind alle politischen Bereiche befragt, genau hinzusehen. Das „Nie wieder“ ist jetzt und darf nicht einfach nur eine Floskel sein, die benutzt wird, wenn wir gedenken. Dieser Akt des Terrors untergräbt die Grundlage jeglicher Friedensverhandlungen und wird den Dialog mit großer Wahrscheinlichkeit um Jahrzehnte zurückwerfen. Wir verurteilen diese Gräueltaten gegen Unschuldige auf das Schärfste und unterstützen das Recht Israels, sich gegen diesen Anschlag zu verteidigen und sein Volk zu schützen. Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten und ein wichtiger Verbündeter und Wertepartner Deutschlands. Die Sicherheit jüdischen Lebens hat höchste Priorität und ist ein Grundprinzip unserer Staatsräson. Die Existenz des Staates Israel ist unverzichtbarer Bestandteil dieser Staatsräson. Deshalb muss der feige Angriff der Hamas auf unschuldige Zivilisten dazu führen, dass alle Hilfsgelder Deutschlands, der EU und der Vereinten Nationen für den Gazastreifen auf den Prüfstand gestellt werden. Eine Verwendung dieser Gelder für antiisraelische oder antisemitische Zwecke muss strikt ausgeschlossen werden. Gewaltverherrlichung, die Verbreitung terroristischer Propaganda oder das Verbrennen der israelischen Flagge verurteilen wir zudem zutiefst. Auch in Deutschland sind daher seit dem 7. Oktober Einsatzkräfte in Dauerbereitschaft. Ein versuchter Brandanschlag auf eine Jüdische Gemeinde in Berlin liefert leider genügend Grund. 

Aufgrund unserer historischen Verantwortung sehen wir es als unsere Pflicht an, uns nachdrücklich für einen dauerhaften Frieden in der Region einzusetzen. Personen oder Gruppen, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen oder gar seine Existenz gefährden, können nicht als Partner Deutschlands angesehen werden. Neben den aktuellen Kriegsschauplätzen, die uns tief erschüttern, dürfen wir auch die Krisen in unserer unmittelbaren Nähe nicht aus dem Blick verlieren. So dauert auch der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine noch an und hält ganz Europa in Atem. 

 

Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, Verbündete zu haben, um gemeinsam für unsere Werte einzustehen. Denn gemeinsam sind wir immer stärker als alleine. Mit der Europäischen Union haben wir ein wichtiges Bündnis, das uns auch international stärker macht. Ein Bündnis, mit dem wir gemeinsam eine Zukunft sichern können, in der wir leben wollen. Deswegen habe ich mich besonders über die neuen Wahlergebnisse in Polen gefreut! Oppositionsführer Tusk hat nach einem langen politischen Spießrutenlauf die Chance, mit zwei weiteren Parteien eine Regierungsmehrheit zu bilden. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) liegt mit 36,1 Prozent der Stimmen zwar vorn, hat aber keine Regierungsoption. Der sichtbar stärker werdende pro-europäische Kurs der polnischen Wähler:innen ist eine gute Nachricht, über die ich in diesem Monat besonders dankbar bin!

In der aktuellen internationalen Situation sorgen Meldungen wie jene aus Polen für den Optimismus, den wir aktuell dringend brauchen. 

Anikó Glogowski-Merten in ihrem Büro, während sie die Jüdische Allgemeine liest.